Wie eine Frau ihrem Krebs die Stirn bot
3000 Tage voller Schmerzen und Sorge
Vor mehr als 15 Jahren rief mich eine Dame an und fragte mich um Adressen von Kollegen von mir, Lehrern der AlexanderTechnik und Feldenkrais-Praktizierenden im Raum St. Gallen, wo ich damals meine Praxis hatte.
Mein eigentlicher Lebensmittelpunkt lag damals eine 3 Stunden von St. Gallen entfernt. Entsprechend hatte ich die Informationen gerne zur Verfügung gestellt, alle meine Kollegen in der Gegend genannt und gehofft, nie wieder von ihr zu hören.
Aus einem ganz einfachen Grund: Ich wollte nicht 3 Stunden reisen, um mich mit der Dame zu treffen. Und selbstverständlich kam eine Woche später wieder ein Anruf von besagter Dame und sie wollte eine Lektion mit mir ausmachen. In der Vergangenheit habe ich meine Lektion gelernt, dass ich besser „Oh ja, das tue ich doch gern“ sagen sollte, wenn jemand mit mir arbeiten will.
Also antwortete ich “Oh ja, das mache ich doch gerne, wie können wir uns am besten organisieren?” und wir vereinbarten einen Termin in den nächsten Tagen. Eigentlich war sie in der Schweiz wegen der Behandlung eines Gesundheitszustandes, den sie mir nicht weiter erläuterte. Aber sie erklärte, dass sie neben der Behandlung, der sie sich in der Paracelsus-Klinik bei St. Gallen unterzog, noch nach einer anderen Art von Unterstützung für sich selbst suchte.
Also trafen wir uns, arbeiteten zusammen, und offensichtlich war sie mit dem, was wir erreichten, zufrieden, denn sie machte weitere Termine mit mir ab während ihrer Zeit in St. Gallen.
…über London nach San Francisco
Wochen später reiste sie ab. Auf ihrem Rückweg aus der Schweiz besuchte sie einen Freund, Eugene Cash, einen Meditationslehrer aus San Francisco, der in der gleichen Meditationstradition arbeitet wie Jon Kabat Zinn.
Zu dieser Zeit lebte er in London. Und da er von ihrem Gesundheitszustand wusste, fragte er: Wie geht es Dir, was macht Deine Gesundheit? Er war besorgt, dass sich ihr Zustand verschlechtert hatte und bestand darauf, dass das so nicht weitergehen könne, da müsse sich etwas ändern. Und mit ihrer Zustimmung kontaktierte er die University of California San Francisco UCSF CAM-Abteilung für Komplementär- und Alternativmedizin. Also ging sie dorthin, kam in die Hände guter und warmherziger Ärzte, nämlich Dr. Ellen Hughes, MD, Phd, am Osher Center for Integrative Medicine an der UCSF, die sie zu einem der führenden Onkologen der UCSF brachte. Die Diagnose lautete: Paget-Krankheit der Brust (auch bekannt als Morbus Paget der Mamille), ist eine seltene Form von Krebs ist, die die Haut der Brustwarze und in der Regel den dunkleren Kreis der Haut um sie herum betrifft, den man die Areola nennt. Die freundliche, aber klare und eindeutige Empfehlung war, dass die Entfernung ihrer Brust der notwendige nächste Schritt war, wenn sie wirklich ihr Leben retten wolle.
Ihr wurde sogar ein Platz in einem Krebsforschungsprogramm angeboten, wo die notwendige Operation und medizinische Versorgung kostenlos für sie übernommen würden, da sie zu dieser Zeit keine eigene Krankenversicherung hatte. Aber sie beschloss, die Operation zu aufzuschieben.
Sortieren von Ideen aus der Ferne — long distance
Sie kontaktierte mich erneut und erkundigte sich nach der Möglichkeit, das Coaching / den Unterricht mit mir fortzusetzen, auch wenn es "nur" über Skype stattfinden könne. Da sie so freundlich darauf bestand, beschloss ich, diese Möglichkeit mehr zu erkunden, obwohl ich noch nie online unterrichtet hatte.
Über die nächsten Jahre setzten wir das gemeinsame Studium der Arbeit von F.M. Alexander via Skype fort. Ich konnte ihr bei Bewegungsschwierigkeiten mit ihrem Handgelenk helfen und ihr helfen, andere ungünstige Bewegungskonzepte zu sortieren und konstruktiver einzuordnen. Indirekt half ihr das, Probleme ihres Alltags mit Überforderung und Desorientierung besser zu bewältigen.
Sie wurde dabei widerstandsfähiger, resilienter, und konnte besser mit einander widersprechenden Anforderungen der Behandlungen konventioneller Medizin und alternativen Behandlungsformen umgehen. Mit der Zeit lernten wir uns besser kennen und das gegenseitige Vertrauen wuchs. Auch wurde klar, dass sie seit 1999, seit 6 Jahren, mit Brustkrebs konfrontiert war, und damit zu einer Entscheidung kommen musste zu der empfohlenen Mastektomie, d.h. der Entfernung ihrer rechten Brust oder in ihrer Suche nach alternativen Behandlungswegen, die sie vor der Entfernung ihrer rechten Brust retten würden und ihre Gesundheit wiederzuerlangen, Erfolg haben müsste. Sie nutzte unsere gemeinsame Arbeit für ihre Gesundheit, und meine Aufgabe wurde damit auch klarer:
Mein Gesundheitscoaching weiter zu entwickeln
und viel mehr dazuzulernen.
Überzeugt, …aber nicht überzeugend
Clara vertraute mir an, dass sie im Laufe der Zeit gute Ärzte und gute, warmherzige Menschen kennengelernt hatte, aber auch andere. Der Grund, warum sie die Operation immer wieder hinausgezögert hatte, war eigentlich immer derselbe, und nicht Sturheit - obwohl ich hinzufügen möchte, dass ich schon lange vorher klein beigegeben hätte, wenn sachkundige Leute, Experten, mit mir im Tonfall der Überzeugung und dem Unterton von Wissen und Autorität sprechen.
Aber genau darum ging es: sie waren überzeugt, aber nicht überzeugend. Clara hatte immer darauf beharrt, dass sie eine Operation / Mastektomie als Mittel der Wahl akzeptieren würde, wenn die Ärzte ihr eine vernünftige Erklärung für die Entfernung ihrer Brust hätten geben können. Und anscheinend hatte sie einen hohen Respekt vor ihrem Körper, den diese Ärzte nicht in der gleichen Weise teilten
Gleichzeitig wurde der Druck für Clara aber immer größer, ihre gesundheitliche Situation immer prekärer. Inzwischen hatte sie einen Brustkrebs in fortgeschrittenem Stadium III, dabei hatte sie bereits die längste Zeit schon, seit ihrer ersten Diagnose im Jahr 1999, unter immensem Druck gelebt:
1999 war bei zwei ihrer engen Freundinnen ebenfalls Brustkrebs diagnostiziert worden; eine entschied sich für eine konventionelle Behandlung und starb innerhalb von 12 Monaten im Jahr 2000, die andere wählte einen alternativen Behandlungsplan und verstarb zwei Jahre später 2001.
Zwei weitere schmerzhafte Jahre
Schließlich ging sie wieder nach Hause, und setzte ihre täglichen Salzbäder (d.h. ein tägliches Schwimmen im Ozean) fort, um die nässende Wunde desinfiziert zu halten und die Heilung so viel wie sie verstand, zu unterstützen, während sie gleichzeitig Unsummen an Geld für alternative Behandlungen zahlte – jedoch leider ohne Erfolg.
Sie zögerte die Operation zwei weitere schmerzhafte Jahre hinaus. Am Rande der Verzweiflung und kurz vor dem Einknicken gegenüber den Autoritäten erwähnte eine Freundin ihr einen örtlichen Arzt, Dr. med. Graffin, der ihr geholfen hatte, sie durch ihren chronischen Zustand zu navigieren und schließlich zu heilen, indem er ihre Geschichte und ihre Symptome objektiv und systematisch analysierte.
Für Clara war dies ein Zeitfenster der quasi letzten Instanz, bevor sie einer Operation schliesslich zugestimmt hätte.
Clara kontaktierte mich, um ihr zu helfen, ihre Brustgeschichte objektiv zu überprüfen und eine einfache, logische und nützliche Abfolge von Fragen für Dr. med. Graffin aufzustellen, damit er mit ihr dann seine Empfehlungen erarbeiten könne.
Ich war ratlos und sprachlos. Ich sagte ihr, dass ich in keiner Weise ein Experte in diesen gesundheitsbezogenen Fragen bin - ich meine: Krebs, um Himmels willen. Meine beiden Eltern waren an Krebs gestorben (und ich hatte selbst Angst davor) und wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich eine große Hilfe sein würde.
Aber ich war bereit, sie zu unterstützen und mit ihr ihre Ideen in dieser Hinsicht zu durchforsten und ihr zu helfen, sie zu sortieren. Wie in unseren Lektionen würde ich an ihre Vernunft, Logik und Argumentationsfähigkeit appellieren und das nutzen, was ich über Mindset und Fokussieren wusste, um die in ihr schlummernden Kräfte ihrer Originalität zu wecken.
Es war mein persönlicher Eindruck gewesen, dass durch das 4 jährige Studium der Alexander-Technik mit Dr. Don Weed D.C. ich etwas intelligenter geworden war, ein verschwommener Eindruck, aber unbestreitbar ein Eindruck von mir, und Ergebnisse in meinem Leben spiegelten das auch in gewisser Weise wider. Mit anderen Worten, ich hatte einen Transfer von Wissen und Verständnis aus meinem Studium von Alexanders Arbeit in andere Bereiche meines Lebens erlebt.
Das Verständnis des Schritt-für-Schritt-Denkens, also eines sequenziellen Denkens, das die Beibehaltung der Hierarchie von Prioritäten der verschiedenen, dynamischen Faktoren, die zu den gegebenen Bedingungen beitragen, beachtet, war eine Schlüsselerfahrung für mich gewesen und hat seitdem eine wichtige Rolle in meinem Verständnis von Bewegung gespielt. Im Lernprozess dieser Arbeit habe ich eine Vorgehensweise kennengelernt, die man auch als die Kunst bezeichnen könnte, die beste nächste Frage zu stellen – oder den besten kleinstmöglich nächsten Schritt ins Auge zu fassen.
Entscheidungen über Leben und Tod
Wenn sie also bereit wäre, die allgemeinen Regeln zu akzeptieren, wie sie in meinem medizinischen Disclaimer niedergelegt sind, bereit wäre, die Geschwindigkeit ihres Denkens zu drosseln, so dass wir uns die Zeit nehmen könnten, ihre Gedanken unter dem Licht von Vernunft, Logik und Argumentation anzusprechen, und sie die ultimative Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen würde, dann hätten wir einen Deal, und wir könnten in diesem Sinne zusammenarbeiten. Clara akzeptierte meine Bedingungen vollumfänglich, und wir begannen, uns mit ihren Ideen, ihren damit verbundenen Ängsten und ihrer Geschichte (der Brust) auseinanderzusetzen.
Als nächsten Schritt wollte sie Dr. med. Graffin treffen, um sich mit ihm zu besprechen. Aber Clara wusste dass sie, wenn sie vor Behörden oder Autoritäten stand oder wichtige und harte Entscheidungen treffen musste, sie bisher sehr gestresst und konfus reagierte. Daher war es äußerst wichtig, dass wir die Schritte vereinfachten (angemessen natürlich), damit sie die Klarheit behielt, um anschliessend wirksam Entscheidungen treffen zu können. In diesem Fall waren es für Clara Entscheidungen über Leben und Tod.
Umgang mit“Autoritäten”
Also setzten wir uns mit allen Ideen auseinander, allen ihren Ängsten, die mit der Brust verbunden waren und sortierten diese Ideen in einer logischen Reihenfolge. Mein Plan war dabei, mit einer klaren Darstellung das aufrichtige Interesse von Dr. Graffin an Claras Wohlbefinden zu wecken und seine Expertise mit einzubeziehen, damit die beiden einen guten nächsten Schritt entwerfen konnten, der dem medizinisch ausgebildeten Experten Dr. Graffin plausibel erschien – und für Clara – sinnvoll war.
Sie machte einen Termin aus und suchte Dr. Graffin auf. Es gelang ihr viel besser zu reagieren und weniger wie "ein Reh im Scheinwerferlicht" zu stehen, als sie es früher bei sich selbst erlebt hatte, wenn sie mit "Autoritäten" konfrontiert war.
Dr. Graffin empfahl Clara, Dr. Martin Nock MD, M.P.H., einen Forschungsdermatologen von der University of Houston zu besuchen, die für ihr erstklassiges Forschungszentrum bekannt ist. Also vereinbarte sie einen Termin bei Dr. Nock, um mit ihm ihre Situation erneut anzuschauen.
In der Zwischenzeit hatten Clara und ich noch ein paar Kontakte, hauptsächlich, um die vielen Gedanken in ihrem Kopf einzuordnen, Clara auch zu beruhigen und sie, so weit das unter diesen Umständen möglich war, zu unterstützen, geerdet zu bleiben. Und es half Clara, kurz vor und während des bevorstehenden Treffens mit Dr. Nock geerdet zu bleiben.
Dr. Nock diskutierte mit ihr noch einmal ihre Geschichte und wies darauf hin, dass nur einmal in 8 Jahren eine Biopsie durchgeführt worden sei und die Ergebnisse für ihn nicht wirklich klar seien. Er schlug vor, eine Biopsie vom Rand der Wunde zu machen und die Zellen dieses Epithels zu analysieren. Clara akzeptierte den Vorschlag und die exzisionale Biopsie wurde durchgeführt und zur Analyse in ein spezialisiertes Labor geschickt.
Ihre Intuition sagte "Ja"
Die Diagnose, die aus diesem Verfahren hervorging, besagte tatsächlich, dass die frühere Diagnose, mit der sie in den letzten 8 Jahren gelebt hatte, nicht (mehr) stimmte: Zumindest inzwischen war es Bowens Krankheit, d.h. Plattenepithelkarzinom in situ.
Dr. Nocks Behandlungsvorschlag war dann sehr klar: Plattenepithelkarzinom ist eine bestimmte Art von Hautkrebs und er schlug ihr vor, eine Immunmodulatorcreme (Aldara Cream) auf den betroffenen Bereich anzuwenden, auch wenn dies ein eher ungewöhnlicher Anwendungsort war. Claras Intuition sagte zum ersten Mal ja.
Ich war froh zu hören, dass Clara geneigt war, Dr. Nocks Vorschlag zu folgen, was auch mir sehr sinnvoll erschien. Clara begann, die Salbe auf ihre nässende Wunde aufzutragen. Sie sollte Aldara Cream 4 Tage die Woche während 6 Wochen verwenden und begann die Behandlung am 27. Juni 2007. Die Behandlung dauerte an bis zum 10. August 2007. Und es tat weh. Jedes Mal, wenn sie die Creme auftrug, hatte sie brennende Empfindungen. Aber unter der Anleitung von Dr. Nock wurde die Situation innerhalb von 6 Wochen immer mehr eingedämmt. Die Haut wurde klar. Ein
“Wunder”
war geschehen. In der Folgesitzung vom 8. November 2007 wurde der Fall abgeschlossen.
Schlussbemerkungen aus den Unterlagen von Doctor Nock von 2010
Der Patientin geht es sehr gut. Ausgezeichnete Narbe ohne Anzeichen eines Rezidivs...
Die obige Geschichte endete vor 13 Jahren. Bis heute hat Clara zwei gesunden Brüsten und ist frei von Krebs. Im Alter von 75 Jahren begann sie mit Bergsteigen und fährt weiterhin Abfahrtski.
Sie engagiert sich mehr denn je für ihre Vitalität und Gesundheit und ist immer noch vital und lebenslustig.
Clara denkt, dass ich entscheidend dazu beigetragen habe, sie gut auf die andere Seite dieser 8 Jahre zu bringen und unterstützt mich, diesen Blog-Beitrag zu veröffentlichen, da sie glaubt, dass auch andere von ihrer Erfahrung profitieren könnten.
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